Das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) sowie das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG) vom 22.12.2020 trat zum 01.01.2021 in Kraft.
Das SanInsFoG und das StaRUG werden in Coronazeiten sehr schnell große rechtliche Bedeutung erlangen.
Vorinsolvenzrechtliche Sanierungsverfahren
Eine EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20. Juni 2019 verpflichtet die nationalen Gesetzgeber, präventive Sanierungsverfahren einzurichten. Mit dem in Artikel 1 SanInsFoG verankerten StaRUG wurde die EU-Richtlinie nicht nur umgesetzt, sondern übertroffen. In Schieflage geratene Unternehmen können nach diesem Gesetz mit einem vorinsolvenzlichen Restrukturierungsplan die drohende Insolvenz zu verhindern versuchen.
Unternehmenssanierung ohne Gerichtsverfahren möglich
Das präventive Sanierungsverfahren kann außerhalb eines Gerichtsverfahrens durchgeführt werden.
Voraussetzung für die Sanierung ohne Gerichtshilfe ist die Genehmigung durch alle betroffenen Gläubiger zu diesem Verfahren (vgl. § 18 StaRUG „sämtliche Planbetroffene zustimmen“). In diesem Fall haben sich die Gläubiger freiwillig den Wirkungen der vorinsolvenzrechtlichen Sanierung unterworfen.
Stimmen nicht alle Gläubiger der vorgezogenen Unternehmenssanierung zu, können die Gerichte diesem Verfahren zustimmen (vgl. § 18 StaRUG „oder dass der Plan gerichtlich bestätigt wird“). Der vom Gericht bestätigte Sanierungsplan des Schuldners entfaltet sodann seine Wirkungen auch im Verhältnis zu widersprechenden und nicht teilnehmenden Gläubigern.
Rechnet das notleidende Unternehmen nicht mit der Zustimmung der notwendigen Anzahl der Gläubiger, kann es die insolvenzabwendende Unternehmenssanierung unmittelbar mit Gerichtshilfe beginnen, (§ 29 Abs. 2 StaRUG).
Das sanierungsbedürftige Unternehmen hat es selbst in der Hand, den Gläubigern Sanierungslösungen anzubieten
Der Restrukturierungsrahmen ermöglicht es den Unternehmen im Stadium der drohenden und noch nicht eingetretenen Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich, den Sanierungsplan selbst zu verhandeln und zur Abstimmung zu stellen (§ 17 ff StaRUG). Mit diesem Rechtsrahmen wird die Lücke geschlossen, die das geltende Sanierungsrecht zwischendem Bereich der freien, dafür aber auf den zwingenden Konsens aller Beteiligten angewiesenen Sanierung einerseits undder Sanierung im Insolvenzverfahren mit ihren Kosten und Nachteilen gegenüber der freien Sanierung andererseits gelassen hat.
Die Verbesserungen der Sanierungsoptionen werden insbesondere Unternehmen zugutekommen, die wegen der Folgewirkungen der Maßnahmen, die zur Eindämmung der CO-VID-19-Pandemie ergriffen worden sind, Umsatzeinbrüche erlitten haben.
Vollstreckungs-und Verwertungssperren zur Wahrung der Erfolgsaussichten eines Restrukturierungsvorhabens sollen insoweit erwirkbar sein, wenn die Restrukturierung gut vorbereitet ist und wenn das Unternehmen während des Verfahrens fortgeführt werden kann.
Liegen bereits Rückstände gegenüber
Arbeitnehmern,
Sozialversicherungsträgern,
dem Finanzamt oder
Lieferanten vor oder
ist das Unternehmen in den letzten drei Jahren nicht seinen Rechnungslegungspflichten nachgekommen,
sollen solche Sperren nur erwirkbar sein, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, die Restrukturierung unter Wahrung der Interessen der Gläubigerschaft zu betreiben.
Eigenverwaltung
Eigenverwaltung setzt die Rücksichtnahme auf die Interessen der Gläubiger voraus, was bedeutet, dass das Unternehmen bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Das Unternehmen hat das Eigenverwaltungsverfahren rechtzeitig und gewissenhaft vorzubereiten, dass es z.B. nicht wegen akuter Zahlungsunfähigkeit unter unangemessenen Handlungsdruck gerät.
Krisenfrüherkennung, Pflichten der Geschäftsleiter und Überwachungsorgane
Die Geschäftsleiter müssen „zu jeder Zeit“ das Unternehmen gefährdende Entwicklungen im Auge behalten. Erkennen die Geschäftsleiter insoweit Gefahren, haben sie geeignete Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten.
Außerdem berichten die Geschäftsleiter den Überwachungsorganen unverzüglich hierzu (ohne schuldhaftes zögern). Sind andere Organe des Unternehmens für erforderliche Maßnahmen der Gefährdungsabwehr zuständig (z.B. Gesellschafterversammlung einer GmbH), sind die Geschäftsleiter dafür verantwortlich, dass diese Organe ihren Beitrag zur Sanierung leisten.
Pflichten der Geschäftsleiter zur Gefahrenabwehr aus anderen Gesetzen sind zusätzlich zu beachten.
Restrukturierungsplan
Der Restrukturierungsplan ist das Herzstück der präventiven Restrukturierung.
Vergleichbar eines Insolvenzplans bildet der Restrukturierungsplan die Grundlage für Eingriffe in die Forderungen und Rechte von Gläubigern und Anteilsinhabern auf der Grundlage einer Mehrheitsentscheidung der Beteiligten.
Der Restrukturierungsplan ist ein Instrument zur kollektiv-privatautonomen Bewältigung der schuldnerischen Krise. Angesichts dieser funktionalen Übereinstimmungen mit dem Insolvenzplan und mit Blick darauf, dass sich das Insolvenzplanrecht in der Praxis bewährt hat, orientieren sich die Bestimmungen zum Restrukturierungsplan über weite Strecken eng an den bestehenden insolvenzplanrechtlichen Regelungen.
Die Eigenheiten des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens werden durch Regelabgrenzungen umgesetzt. Hierdurch wird vermieden, dass die Wahl zwischen dem Insolvenzplanverfahren und dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen durch Unterschiede in der Ausgestaltung beeinflusst wird, die sich nicht auf zwingende sachliche Gründe zurückführen lassen.
Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens
Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ist nicht als ein integriertes Verfahren konzipiert, sondern als ein Rahmen von Verfahrenshilfen, welche der Schuldner im Zuge eines von ihm verfolgten Restrukturierungsvorhabens in Anspruch nehmen kann.
Die Inanspruchnahme der Verfahrenshilfen (Instrumente), also die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens, die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind , die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung und die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung), hängt nicht von einer formalen Verfahrenseröffnung ab, die auf Grundlage eines Eröffnungsantrags bei Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen erfolgt.
Die einzelnen Verfahrenshilfen können auch ohne eine solche Verfahrenseröffnung und grundsätzlich unabhängig voneinander in Anspruch genommen werden, sofern die Voraussetzungen für die im Rahmen der Verfahrenshilfe begehrte Entscheidung oder Maßnahme gegeben sind.
Ob und in welcher Kombination und Reihenfolge sie in Anspruch genommen werden, hat der Schuldner eigenverantwortlich zu entscheiden; ihm obliegt die Strukturierung, Organisation und Durchführung des Gesamtprozesses.
An die Stelle eines Antrags und einer auf einen solchen Antrag folgenden formalen Verfahrenseröffnung tritt nach einer einseitigen Anzeige des Schuldners, mit welcher dieser dem Gericht das Restrukturierungsvorhaben anzeigt.
Hier sind die verfahrensrechtlichen Vorschriften versammelt, die für die Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens maßgeblich sind.
Zudem finden sich hier Vorschriften zu den Pflichten der Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Schuldner während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache und zur Unzulässigkeit von an die Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache anknüpfenden Lösungsklauseln.
Das Gesetz ist hier einzusehen:
Neueste Kommentare